Trotz sinkender Sparquote gelten die Deutschen traditionell noch immer als ein Volk der Sparer. Doch wer denkt, dass allein das verfügbare Einkommen ein ausschlaggebendes Kriterium für das Sparverhalten darstellt, täuscht sich.
Eine Studie des Handelsblatt Research Institute (HRI) für die Fondsgesellschaft Union Investment hat herausgefunden, wie die verschiedenen Lebensstile innerhalb der deutschen Mittelschicht das Sparverhalten beeinflussen.
Dazu wurden die verschiedenen Milieus der Mittelschicht analysiert, die maßgeblich die gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung der Bundesbürger ausmachen.
Deutschlands Mittelschicht
Mit einem Anteil von etwa 60 Prozent stellt die Mittelschicht den Großteil der deutschen Haushalte dar und gilt damit als Rückgrat der Gesellschaft. Zu ihr zählen alle privaten Haushalte, die über ein verfügbares Nettoeinkommen zwischen 70 und 150 Prozent des mittleren Einkommens verfügen.
Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe sind im Durschnitt 50 Jahre alt und verfügen über ein monatliches Netto-Haushaltseinkommen von 2.368 Euro. Doch die Mittelschicht ist alles andere als homogen.
Das Verhalten innerhalb der deutschen Mittelschicht ist so unterschiedlich, dass sie in fünf Untergruppen aufgeteilt werden kann – den sogenannten Milieus.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Milieus zeigen sich besonders deutlich, wenn man das Sparverhalten und den Umgang mit Geld untersucht.
Studienleiter Professor Dr. Bert Rürup: „Wir müssen uns von der Vorstellung des typischen Sparers und seines tradierten Sparverhaltens lösen“.
So haben das Lebensalter, die Wertorientierung und Lebensziele sowie das soziale Umfeld einen weitaus größeren Einfluss auf das Sparverhalten, als etwa ein ähnlich hohes Einkommen oder Bildungsniveau.
Die Milieus im Detail
Im Einzelnen werden folgende Gruppen unterschieden:
Traditionelle Mitte
Laut Studie ist die traditionelle Mitte eine der größten der fünf Gruppen. Sie macht über 15 Prozent der deutschen Bevölkerung aus. Gleichzeitig ist sie mit durchschnittlich 68 Jahren auch die älteste. Viele Mitglieder gehören zur Nachkriegsgeneration und sind Rentner oder Pensionäre, die viel Wert auf finanzielle Sicherheit legen. Das Milieu ist auch durch Kleinbürgertum und Arbeiterkultur geprägt.
Etwa ein Drittel besitzt Wohneigentum und bevorzugt häufiger als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung sichere Anlageformen wie Sparbücher und Festgeldkonten. Das durchschnittliche Netto-Haushaltseinkommen ist im Vergleich zu den anderen vier Gruppen am niedrigsten und beträgt 1.893 Euro.
Altersvorsorge steht bei dieser Gruppe nicht mehr im Vordergrund. Viel wichtiger ist das Vererben der Ersparnisse an Kinder und Enkel.
Dass auch innerhalb dieser Gruppe weiter differenziert werden kann, zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA), die das Ausgabeverhalten von über 800 Personen im Alter zwischen 55 und 75 Jahren untersucht hat.
Bürgerliche Mitte
Angehörige der bürgerlichen Mitte machen mit 14 Prozent eine weitere große Bevölkerungsgruppe der deutschen Gesellschaft aus. Das Durchschnittsalter der Angehörigen beträgt 51 Jahre. Sie sind sozial und beruflich etabliert und verfügen überdurchschnittlich häufig über Wohnimmobilien.
Die bürgerliche Mitte zeichnet sich vor allem durch ein stetiges und intensives Sparverhalten aus. Sie strebt nach beruflicher und sozialer Etablierung sowie gesicherten und harmonischen Verhältnissen. Das durchschnittliche Netto-Haushaltseinkommen liegt bei 2.499 Euro.
Innerhalb dieses Milieus werden besonders häufig Kapitallebensversicherungen fällig und Bausparverträge frei. Diese Gelder werden bevorzugt in sichere Anlagen investiert.
Hedonisten
Für die Gruppe der Hedonisten steht Spaß und Konsum über Sparen und Altersvorsorge. Mit einem Anteil von 15 Prozent macht auch sie einen gewichtigen Teil der deutschen Gesellschaft aus. Die Gruppe wird in der Regel zur unteren Mittelschicht gezählt, verweigert Konventionen und Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft und gilt als spaß- und erlebnisorientiert.
Das Alter in dieser Bevölkerungsschicht beträgt durchschnittlich 38 Jahre.
Das Netto-Haushaltseinkommen liegt im Durchschnitt bei 2.411,- €. Ein zielorientiertes Anlageverhalten findet eher nicht statt. Hedonisten sparen vergleichsweise wenig Geld. Wenn gespart wird, dann liegt Bildungssparen vor Wohlstandssicherung. Die Risikobereitschaft innerhalb der Gruppe ist höher als die der bürgerlichen und traditionellen Mitte. So interessieren sich Hedonisten auch für risikoreichere Anlageformen wie Aktien.
Das Milieu der Hedonisten wird der Studie zufolge in den nächsten Jahren noch wachsen.
Sozioökologisches Milieu
Das sozioökologische Milieu ist mit einem Anteil von 7 Prozent die kleinste Gruppe. Hierzu zählen vor allem Akademiker und Beamte. Die Gruppe gilt gemeinhin als konsumkritisch und verfügt über ein ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen.
Mitglieder dieses Milieus sind durchschnittlich 50 Jahre alt und haben ein Netto-Haushaltseinkommen von 2.591,- €.
Finanziell ist das sozioökologische Milieu gut abgesichert. Mitglieder dieser Gruppe besitzen relativ häufig Wohneigentum und Investmentfonds.
Adaptiv-pragmatischen Milieu
Angehörige dieser Gruppe gehören wie die Hedonisten zu den jüngeren Milieus des deutschen Mittelstands. Im Durchschnitt 38 Jahre alt, machen sie rund 9 Prozent der Bevölkerung aus.
Das Milieu gilt als moderne junge Mitte der Gesellschaft mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nutzenkalkül. Die Haushalte in dieser Gruppe werden als zielstrebig, kompromissbereit, flexibel und sicherheitsorientiert beschrieben.
Die Adaptiv-pragmatischen befinden sich häufig in der familiären Aufbauphase. Mit einem durchschnittlichen Netto-Haushaltseinkommen von 2.638,- € verfügen sie über das höchste Einkommen der fünf Gruppen.
Angehörige dieses Milieus sparen sowohl für langfristige Investitionen wie Wohneigentum, als auch für Autos oder Urlaubsreisen. Hinzu kommt ein überdurchschnittliches Interesse an Investmentfonds.